Weißblechdosen

Konservendosen werden zum Schutz vor Korrosion - mit den damit verbundenen Übergängen auf das verpackte Lebensmittel - auf der Innenseite beschichtet. Ein gängiges Beschichtungssystem ist Epoxy­phenolharz auf der Basis von Bisphenol-A (BPA). Beim Aushärten der Beschichtung können unbeabsichtigt Reaktionsnebenprodukte entstehen, wie insbesondere Cyclo-di-BADGE (CdB), das cyclische Kondensations­produkt von BPA und Bisphenol-A-diglycidylether (BADGE).

In der Vergangenheit waren bereits in diversen Laboratorien der amtlichen Überwachung hohe Befunde an CdB in Fisch-in-Öl und Kokosmilch, die in Dosen verpackt waren, aufgefallen. Nun sollten im CVUA-MEL Dosen­konserven mit Lebensmitteln, welche üblicherweise in größeren Mengen verzehrt werden (Eintöpfe, Suppen), mit einer speziell für diese Matrix entwickelten Methode untersucht werden.

Während eine HPLC-FLD-Analytik bei Fisch-in-Öl-Konserven zu verläss­lichen Ergebnissen führt, kommt es bei Dosensuppen und Eintöpfen zu Matrixinterferenzen. D.h. je nachdem, ob ein Störpeak den Peak des Analyten oder den des Internen Standards überdeckt, können die Ergebnisse zu hoch oder zu niedrig ausfallen.

Als analytisches Verfahren zur Bestimmung von Kontaminanten in komplexen Lebensmitteln bietet sich die LC-GC-MS/MS (Triple Quadrupol) Technik an. Dabei dient die vorgeschaltete Normalphasen-HPLC (NP-HPLC) der Abtrennung des Analyten von der Matrix. Anschließend wird die Fraktion eingeengt, silyliert und der GC-MS/MS-Bestimmung zugeführt.

In den Dosen wurde auch das Polymer des Beschichtungssystems identifiziert (FTIR).

Die Befunde an CdB in den Suppen und Fertiggerichten waren auffällig. Die Tabelle gibt einen Überblick: 

CdB in Suppen und Fertiggerichten in Dosen: Zahlen und Fakten

Gesamtzahl an Proben 81
Proben mit Epoxyphenolharz-beschichteter Dose 76
Proben mit Polyesterharz-beschichteter Dose 5
Zahl der beanstandeten Proben 52
Zahl der bemängelten Proben 12

 

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die CdB-Einzelergebnisse in Dosenkonserven mit Innenbeschichtung aus Epoxyphenolharz in aufsteigender Reihenfolge. Die Konservendosen mit Polyesterbeschichtung enthielten naturgemäß kein CdB und sind in der Abbildung nicht aufgeführt.

Diagramm

Über die Toxikologie von CdB ist wenig bekannt, noch existiert eine Höchstmengenregelung in der EU. Ob ein möglicher Übergang dieser Substanz in ein Lebensmittel im Sinne von Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 noch vertretbar ist, ist daher gemäß international anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen über die Risikobewertung zu beurteilen (Art.19 der Verordnung 10/2011).

Nach Einschätzung des BfR (Stellungnahme 22/2016) kann CdB im Rahmen der Risikobewertung nach dem TTC-Konzept (Threshold of Toxicological Concern) der Cramer-Klasse III zugeordnet werden. Daraus lässt sich eine tolerierbare Aufnahmemenge von 90 µg/Person/Tag ableiten. Es handelt sich hierbei um eine expositionsbezogene Bewertung, welche für jedes betroffene Lebensmittel stets eine Abschätzung der üblichen Verzehrsmenge erforder-lich macht.

Die Verzehrsmenge des Lebensmittels ist abhängig von der Art des Lebensmittels und dem Nettogewicht des Gebindes. Die untersuchten Dosensuppen und Eintöpfe hatten in der Regel ein Nettogewicht von 400 g oder 800 g. Daher wurde für eine einzelne Mahlzeit ein Verzehr von 400 g (kompletter oder halber Doseninhalt) zugrunde gelegt. Dabei handelt es sich um eine moderate Durchschnittsannahme – nicht um eine worst-case-Betrachtung.

Das CVUA-MEL hält Übergänge von Substanzen oberhalb von Mengen, die aufgrund toxikologischer Bewertungen als sicher beurteilt werden (hier in der Regel 90 µg/400 g LM pro Tag), für unvertretbar i.S.v. Art. 3 Abs. 1b der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004. Über die gesundheitlichen Auswirkungen des Verzehrs eines so kontaminierten Lebensmittels ist nichts bekannt. Insofern kann ein derartiges Lebensmittel nicht als unbedenklich angesehen werden.

Bei dieser Abschätzung wurde noch nicht berücksichtigt, dass die Substanz in vielfältigen Dosenkonserven vorkommen kann.

Daher ist davon auszugehen, dass insbesondere Verbraucher, welche sich häufig von Konserven ernähren, CdB in Mengen oberhalb der tolerierbaren Dosis aufnehmen. Aus diesem Grunde ist es nicht nur unvertretbar, wenn die tolerierbare Aufnahmemenge überschritten wird, sondern diese sollte durch die Tagesdosis eines einzelnen Produktes erst gar nicht ausgeschöpft werden.

Zur Lösung des Problems sind zwei Handlungsoptionen denkbar, Minimierung des Stoffübergangs oder Bewertung der Substanz mit Etablierung eines Grenzwertes.

In der Literatur wird beschrieben, dass die Migration von CdB aus Epoxyphenolharzen u.a. vom Vernetzungsgrad des Polymergerüstes und von den Bedingungen (Temperatur, Dauer) bei der Sterilisation der befüllten Dose beeinflusst wird (J. Wagner et al., Food Research International 106 (2018) 183-192.). Inwieweit die technologischen Möglichkeiten zur Minimierung des Übergangs derzeit bereits ausgeschöpft werden oder noch optimierbar sind, ist dem CVUA-MEL nicht bekannt. Immerhin gab es einige im Rahmen des Projektes untersuchte Konserven mit Epoxyphenolharz-beschichtung, bei denen keine oder nur geringe Übergänge an CdB festgestellt wurden.

Auch ein Ausweichen auf ein anderes Beschichtungssystem ist denkbar, bei dem aber möglicherweise neue Fragen aufgeworfen werden.

Aufgrund der Vielzahl der Produkte, die CdB enthalten, erscheint die Bewertung der Substanz durch die EFSA, welche Voraussetzung für die Ableitung eines Migrationsgrenzwertes ist, zielführend, da ein derartiger Grenzwert für alle Seiten die notwendige Sicherheit schafft. In dem Migrationsgrenzwert sollte die vielfältige Exposition von Verbrauchern mit CdB über die Nahrung berücksichtigt werden.