3-MCPD (3-Monochlor-1,2-propandiol) und 1,3-DCP (1,3-Dichlor-2-propanol) gehören zur Gruppe der Chlorpropanole und sind als gesundheitlich unerwünschte Kontaminanten in Lebensmitteln, die einer Hydrolyse mit Salzsäure unterzogen werden (z.B. Sojasauce), bekannt. Sie können aber auch als Kontaminanten in Papier vorkommen. Kommt das Papier mit feuchten Lebensmitteln in Kontakt, gehen die Chlorpropanole leicht darauf über. Im CVUA-MEL wurde festgestellt, dass die sich großer Beliebtheit erfreuenden Muffinförmchen häufig mit größeren Mengen dieser Stoffe belastet sind. Doch die Untersuchungen führten auch im Hinblick auf das Migrationsverhalten der Stoffe zu unerwarteten Erkenntnissen.

3-MCPD und 1,3-DCP können entstehen, wenn bei der Papierherstellung bestimmte Nassverfestigungsmittel (auf Basis von Epichlorhydrin) eingesetzt werden. Nassverfestigungsmittel werden dann benötigt, wenn ein Ablösen von Papierfasern beim Kontakt mit feuchten Lebensmitteln verhindert werden soll. Stark nassfest ausgerüstete Papiere sind dementsprechend  beispielsweise Filterpapiere und Küchenrollen. Für beide Substanzen wurden in den Empfehlungen des BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) für den Papiersektor die Übergänge in Wasserextrakte, welche die realen Übergänge in Lebensmittel simulieren, limitiert.
In den Empfehlungen ist dargelegt:
1,3-DCP gilt als genotoxisch, ein Übergang in den Wasserextrakt darf nicht nachweisbar sein (NWG: 2 µg/L). Für 3-MCPD wurde aus Tierversuchen abgeleitet, dass es oberhalb eines Schwellenwertes Tumore auslösen kann. Der Übergang in den Wasserextrakt sollte so gering wie technisch möglich sein, ein Richtwert von 12 µg/L soll in keinem Fall überschritten werden.

Die amtliche Methode nach § 64 LFGB (BVL B 80.56-2) zur Kontrolle der Übergänge ist überar-beitungsbedürftig und entspricht nicht mehr dem Stand der Analytik. Im CVUA-MEL wurde daher eine robuste Methode zur Bestimmung von 3-MCPD und 1,3-DCP in Wasserextrakten entwickelt, welche eine Silylierung der Alkoholfunktionen beider Chlorpropanole und ein GC-MS-Verfahren umfasst. Das Verfahren wurde veröffentlicht (B. Brauer, T. Funke, S. Schulz: Bestimmung von 3-MCPD und 1,3-DCP in Wasserextrakten von Lebensmittelbedarfsgegenständen aus Papier, DLR 113 (2017) 449-453).

Mit der beschriebenen Methode wurden im Jahr 2017 ca. 130 Proben Muffinförmchen aus Papier, Backpapier, Tortenspitzen, Papierproben aus Bäckereien und dem Schnellimbisssektor sowie Kaffeefilterpapiere untersucht. Dabei erwiesen sich speziell die Muffinförmchen als auffällig, da sie höhere Mengen an 3-MCPD freisetzten, als das BfR für gesundheitlich unbedenklich hält. Ca. 24 % der untersuchten Muffinproben lagen z.T. erheblich über dem Richtwert von 12 µg/L.

Doch noch ein anderes Untersuchungsergebnis war bemerkenswert:

Grundsätzlich gibt es im Papiersektor zwei Standardsimulationen für Übergänge ins Lebensmittel: den Kalt- und den Heißwasserextrakt (KWE, HWE). Beide Extrakte sind im Fall von Muffinförmchen realistisch. Die Extrakte simulieren die für Muffinförmchen typischen, intensiven längeren Kontakte mit feuchten Lebensmitteln, welche in der Hitze (unter Backbedingungen) oder in der Kälte (z.B. Rohkostmuffins) stattfinden können.

Nach den Ergebnissen der Untersuchungen zeigte sich, dass die Befunde im Kaltwasserextrakt regelmäßig höher lagen als im Heißwasserextrakt. Dies ist ein unerwarteter Effekt, da die Heißwasserextraktion gegenüber der Kaltwasserextraktion eine höhere kinetische Energie aufweist und daher in der Hitze mit höheren Übergängen zu rechnen wäre. In den für Backpapier und Muffinförmchen einschlägigen BfR-Empfehlungen ist die Überprüfung sämtlicher Richtwerte dementsprechend im Heißwasserextrakt vorgeschrieben.

Zur Klärung der Frage, ob die Auswirkungen der verschiedenen Kontakttemperaturen auf die Freisetzungsrate der Chlorpropanole systematischer Art sind, wurden diverse Proben – unabhängig von ihrer bestimmungsgemäßen Nutzungstemperatur – in Doppelbestimmung einem Kalt- und Heißwasserextrakt unterzogen.

Befunde an Chlorpropanolen in Kalt- und Heißwasserextrakten

Proben

3-MCPD im KWE [µg/L]

1,3-DCP im KWE [µg/L]

3-MCPD im HWE [µg/L]

1,3-DCP im HWE [µg/L]

Muffinförmchen 2016

147

n.n.

n.n.

n.n.

Muffinförmchen 2016

95

n.n.

64

n.n.

Kaffeefilter 2016

5

n.n.

n.n.

n.n.

Muffinförmchen 2017

120,9

2,2

84,5

n.n.

Muffinförmchen 2017

41,8

n.n.

23,9

n.n.

Muffinförmchen 2017

136,2

1,6

95,8

n.n.

Muffinförmchen 2017

50,4

n.n.

27,8

n.n.

Muffinförmchen 2017

69,5

n.b.

69,9

n.n.

Imbissbox Asia 2017

155,5

33

56,2

12,8

Servietten grün 2017

8,5

n.n.

n.n.

n.n.


Die Ergebnisse der Vergleichsuntersuchungen zwischen Kalt- und Heißwasserextrakt zeigen, dass der Kaltwasserextrakt aufgrund der durchweg höheren Befunde die eigentliche worst-case-Bedingung darstellt.

Zudem wurde an einer Probe mit bekanntem Befund an Chlorpropanolen eine kinetische Untersuchung unter den Bedingungen des Heißwasserextraktes vorgenommen, bei welcher die Probe verschiedenen Kontaktzeiten in der Hitze (hier 80°C) ausgesetzt war.

Kinetik der Chlorpropanole im Heißwasserextrakt - Asiabox

Die kinetische Untersuchung an Heißwasserextrakten lässt erkennen, dass im Verlauf der Hitzeeinwirkung eine rapide Abnahme der Chlorpropanole stattfindet, während die Übergänge zu Beginn der Heißextraktion den Befunden im Kaltwasserextrakt gleichen. Dieser Effekt ist nicht auf eine Hitzelabilität der Stoffe zurückzuführen, wie durch Erhitzung der reinen Kalibrierlösungen festgestellt wurde.

Fazit:

Nach dem Ergebnis der vorliegenden Untersuchungen ist davon auszugehen, dass unter den Bedingungen des Heißwasserextraktes (2 h – 80°C) die Befunde in der Regel zu gering ausfallen und die Realität nicht ausreichend abbilden. Unter dem Aspekt des vorbeugenden Gesundheitsschutzes sollte die Simulation von Übergängen die Realität aber eher über- als unterschätzen.
Auch ist aufgrund der schnellen Abnahme der Chlorpropanole unter den Bedingungen der Heißextraktion mit einer unzureichenden Reproduzierbarkeit der Ergebnisse zu rechnen.
Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse werden im CVUA-MEL bei Gegenständen aus Papier, Karton oder Pappe, die neben einer Heißanwendung auch im Kalten benutzt werden oder die unter realen Anwendungsbedingungen nur einer kurzen Hitzeeinwirkung ausgesetzt sind (Tee-, Kaffeefilterpapiere), zur Kontrolle der Übergänge von Chlorpropanolen nur noch die Ergebnisse der Kaltwasserextraktion als Beurteilungsgrundlage herangezogen.
Das BfR wurde über die Ergebnisse informiert – mit der Anregung, die Empfehlungen im Hinblick auf die Simulation der Übergänge den Erkenntnissen anzupassen.